Montag, 17. Juni 2013

Kirchensteuer 35 Jahre nach dem Austritt nachzahlen?

Vor einigen Wochen erhielten wir von der Kirchensteuerstelle (das ist eine Abteilung des Finanzamtes Berlin) einen Fragebogen zu unserem Kirchenstatus. Wir sollten angeben, ob wir Mitglied der Kirche oder ob wir ausgetreten wären. Wahrheitsgemäß und arglos gaben wir an, daß wir 1978 ausgetreten wären. Leider haben wir dafür keinen Nachweis. Wir wissen noch, daß wir Mitte des Jahres 1978 ein Standesamt in Berlin-Pankow aufsuchten, um dort beide gleichzeitig unseren Austritt aus der Kirche zu erklären. Wir wissen leider nicht mehr, ob wir dafür eine Bescheinigung erhielten. Falls wir eine erhielten, ist sie wahrscheinlich in den Wirren unser Ausreise verloren gegangen. Wie wir inzwischen aus unseren Internet-Recherchen wissen, haben die DDR-Behörden in den 70er und 80er Jahren nicht oder sehr schlecht mit der Kirche zusammengearbeitet und Unterlagen gar nicht weitergereicht oder nach 10 Jahren einfach vernichtet.

Am 15.5.2013 erhielten wir dann ein weiteres Schreiben von der Kirchensteuerstelle, in dem uns mitgeteilt wurde, daß wir auf Grund unserer Taufe, die uns unsere Eltern jeweils im zarten Alter von 3 Monaten angedeihen ließen, Mitglieder der evangelischen Kirche seien und damit kirchensteuerpflichtig. Man ließe uns jetzt 4 Wochen Zeit, unseren Austritt aus der Kirche schriftlich nachzuweisen, anderenfalls würden wir dem Finanzamt als kirchensteuerpflichtig gemeldet.

Seit diesem Brief hat unsere Lebensqualität dramatisch abgenommen, wir schlafen schlecht, und es gelingt uns kaum noch, über irgend etwas zu lachen. Über uns hängt dieses Damoklesschwert einer drohenden Kirchensteuernachzahlung in Höhe eines dicken 5stelligen €-Betrages.

Wir sind darüber entsetzt und schockiert, dass man 35 Jahre nach unserem Kirchenaustritt und 23 Jahre nach erster Registrierung in einem Westberliner Finanzamt von uns diesen Nachweis verlangt oder Kirchensteuer nachfordert.

Meine Frau und ich hatten im Mai 1989 einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt und am 9.11.1989 die Ausreiseerlaubnis erhalten. Danach erhielten wir einen Laufzettel mit allen Stellen, an denen wir uns abmelden mussten. Da stand die Kirche schon nicht mehr drauf. Wir wurden dann aus der DDR ausgebürgert und aus der Staatsbürgerschaft entlassen. Für uns war dieses Kapitel unseres Lebens damit komplett abgeschlossen.

Bei der Einbürgerung Mitte Dezember 1898 in die BRD wurde ein umfangreiches Formular mit allen persönlichen Daten ausgefüllt. Darauf gab es eine Zeile "Religion",  in der bei uns kein Eintrag erfolgte. Wir gaben wahrheitsgemäß an, ausgetreten zu sein, und das hat auch niemand angezweifelt, und es wurde auch kein Nachweis dafür verlangt.

Wir haben dann Mitte 1990 beide in Westberlin angefangen zu arbeiten. Bei Aufnahme der Tätigkeit wurden wir u.a. nach unserer Religion gefragt, gaben "keine" an, und damit war das erledigt. Niemand hat einen Nachweis verlangt, dass wir aus der Kirche ausgetreten sind.

Nun fragen wir uns, wieso man bei Aufnahme eines Arbeitsrechtsverhältnisses alle möglichen steuermindernden Tatbestände wie zum Beispiel Anzahl der Kinder, Ehestand, usw. schriftlich nachweisen muss, nicht aber den Status der Kirchenzugehörigkeit?

Keine Kommentare: